Bürgermeister Dr. Alexander Berger zum „Tag des Flüchtlings“ am 25. September
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Die Sommer bleiben trocken und weltweit brechen Menschen unentwegt auf, für sich und ihre Familien nach neuen Perspektiven zu suchen. Viele von ihnen sind überzeugt, dass in Europa, in Deutschland, der Ort zu finden ist, an dem ein Leben in Sicherheit und auskömmlichem Wohlstand gelingt.
Wir haben in den letzten fünf Jahren unglaubliche Anstrengungen unternommen, um Menschen auf der Flucht vor Krieg und Gewalt in Deutschland ein Zuhause in Frieden zu geben. Auch in Ahlen hat das Zusammenspiel von ehrenamtlichen Initiativen und hauptamtlichem Engagement gut funktioniert. Ahlen war und ist eine Stadt, in der Menschen anderer Kulturen mit offenen Armen empfangen werden. 111 Nationen leben bei uns friedlich miteinander unter einem Dach, als Nachbarn, Arbeitskollegen, Freunde. Aus Fremden sind Mitbürger geworden.
Die Bilder, die uns in den letzten Tagen von der griechischen Insel Lesbos erreichten, waren nur schwer auszuhalten. Es war ein gutes Zeichen, dass die Bundesregierung die Initiative ergriffen hat, um einem Kontingent von Familien mit begründeter Bleibeperspektive die Migration nach Deutschland zu ermöglichen. Die Stadt Ahlen wird selbstverständlich bereit sein, im Rahmen ihrer Möglichkeiten und Quoten Familien aus Moria eine Zuflucht zu geben. Die aktuelle Situation hat der Öffentlichkeit vor Augen geführt, wie dringend notwendig eine gesamteuropäische Verständigung ist, damit Personen auf der Flucht menschenwürdig untergebracht werden und zügig in die zur Aufnahme verpflichteten Zielländer weiterreisen können. Das gilt für Moria aber auch für die vielen anderen Flucht-Brennpunkte, die gegenwärtig nicht im Licht der medialen Aufmerksamkeit stehen.
Einwanderung ist für mich beides: Sie stellt uns einerseits vor gewaltige Herausforderungen, bietet aber auch andererseits ungeahnte Chancen für die Gesellschaft. Warum Zuwanderung von Menschen aus anderen Kulturräumen für Ahlen von so großer Bedeutung ist, liegt auf der Hand. Erinnern wir uns: Unsere Stadt wäre vermutlich heute noch ein verträumt gemütliches Ackerbürgerstädtchen am Rande des idyllischen Münsterlandes. Den mit Abstand wohl bedeutendsten Wachstumsimpuls gab unserer Stadt der Beginn des Steinkohlenbergbaus vor über 100 Jahren. In seinem Zuge kamen ab den 50er-, 60-er-Jahren auch erstmals Menschen zu uns mit einer anderen kulturellen und religiösen Prägung. Ahlen begann endgültig zu der bunten, kulturell vielfältigen Stadt zu werden, die wir heute kennen und schätzen. Es waren durch alle Epochen zugewanderte Arbeitsmigranten, die unserer Stadt ihre heutige Größe und Bedeutung verliehen.
Mehr als 50 Prozent der eingeschulten Kinder besitzen heute einen Migrationshintergrund. In einigen Stadtteilen liegt die Quote noch deutlich höher. Die kulturelle Diversität ist etwas Positives, denn die Vielfalt bereichert unsere Gemeinschaft und erweitert unseren Horizont. Manchmal können wir die Vorteile, die uns diese Vielfalt bringt, jedoch nicht sehen: So schwer die Integration in eine andere Kultur ist, so schwer kann es auch sein, mit der größeren Vielfalt in einer Gesellschaft umzugehen. Deshalb muss Integration ein Kernstück der städtischen Agenda sein. Integration bedeutet nicht nur gleiche Chancen für alle, sondern führt auch zu einem besseren Verständnis von Migration. Sie fördert den Zusammenhalt in der Gesellschaft, damit sie nicht Diskriminierung und Rassismus zum Opfer fällt.
Unsere Aufgabe und Herausforderung muss es sein, die Einwanderung so zu gestalten, dass sie gesellschaftlich als selbstverständlich akzeptiert wird. Das heißt für mich auf bundespolitischer Ebene: Wir brauchen mehr denn je ein Einwanderungsgesetz, das die Zuwanderung nach Deutschland an konkrete Bedingungen knüpft. Es ist für alle Beteiligten unwürdig, wie sich Immigration derzeit vollzieht. Menschen werden gezwungen, als Asylbewerber an unsere Türen zu klopfen, obwohl sie sich selbst keiner Illusion hingeben, ihre Herkunft könne eine Bleibeperspektive in Deutschland eröffnen. Sie werden genötigt, sich in den Strom der Bürgerkriegsflüchtlinge einzureihen, obwohl sie keine Zuflucht vor Krieg und Gewalt suchen, sondern eine Chance auf Arbeit, um für sich und ihre Familien ein kleines Stückchen vom Wohlstandskuchen zu ergattern. Viele Einwanderer – darunter Frauen und Kinder – riskieren auf dem gefährlichen Weg nach Europa ihr Leben, um letztendlich von Schleppern und Menschenhändlern ausgebeutet zu werden.
Lassen Sie uns weiter gemeinsam daran arbeiten, dass Ahlen eine freundliche Stadt bleibt, in der Geflüchtete und Vertriebene einen sicheren Hafen anlaufen können.
Ihr Bürgermeister
Dr. Alexander Berger