Ahlener Kultur- und Heimatpflege ragt kreisweit heraus

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Weitere fünf Jahre berät Bernd Schulze-Beerhorst Politik, Verwaltung und Bürgerschaft ehrenamtlich in Sachen Denkmalschutz. Die Bestellungsurkunde überreichte ihm Bürgermeister Dr. Alexander Berger im Rahmen eines Treffens der in Ahlen aktiven Heimat- und Brauchtumsvereine. Der Rat der Stadt Ahlen hatte in seiner letzten Sitzung den Beauftragten für Denkmalpflege für eine weitere Amtszeit einstimmig berufen.

Berger betonte, dass Schulze-Beerhorst sein Ehrenamt in den letzten fünf Jahren sachbezogen und unparteiisch ausgefüllt habe. „Mit Ihrer ausgewiesenen Orts- und Sachkenntnis geben Sie nicht nur der städtischen Denkmalbehörde, sondern auch der Bevölkerung wertvolle Hinweise“, dankte der Bürgermeister dem Denkmalpfleger für dessen zielorientierte, kompetente und engagierte Wahrnehmung der Funktion. Diese sei „im Grunde ein Titel ohne Mittel“, fügte Schulze-Beerhorst augenzwinkernd an. Er habe sich dennoch über manche Entwicklungen in der Stadt gefreut. So sei es gelungen, dass nach einem Teileinsturz dem drohenden Verfall von Haus Pustekrey begegnet werden konnte und erste Schritte zum Wiederaufbau unternommen wurden. Bauchschmerzen mache ihm hingegen noch immer die ungeklärte Zukunft des Holtermannschen Hauses am Markt. Derzeit bereite er die Familiengeschichte der Holtermanns auf, „um die Geschichte der Menschen lebendig zu machen.“

Begeistert von dem lebendigen Kulturleben in Ahlen zeigt sich Dr. Knut Langewand, als Leiter des Kreis- und Stadtarchivs regelmäßiger Gast in der Runde. „Dass sich in einer Stadt so viele engagieren, ist im Kreis Warendorf einmalig“, freut er sich auf die gute und enge Zusammenarbeit mit den Ahlener Aktiven. Viele Vereine kämen mittlerweile mit zwei Vertretern zum Treffen der Heimat- und Geschichtsfreunde, was der städtische Kulturfachbereichsleiter Christoph Wessels als Bestätigung sieht: „Was wir machen, findet offenbar Resonanz.“ Wie thematisch breit aufgestellt die Heimat- und Kulturpflege in Ahlen ist, zeigten die ausführlichen Berichte der Vereinsvertreter.

Industrie- und Zechengeschichte
Mit der Einstellung der Koksproduktion vor 30 Jahren auf der früheren Zeche Westfalen befasst sich noch bis Ende März die Ausstellung „Der Ofen ist aus“ im Jupp-Fotoclub am Glückaufplatz. Abgelöst wird sie am 1. Juli mit der Fotoschau zum zwanzigsten Jahrestag der Stilllegung von „Westfalen“. Die Zeche steht auch im Mittelpunkt des „Tages der Archive“ am 8. März. In der Lohnhalle präsentiert das Kreis- und Stadtarchiv Interessantes zur Zechen- und Ortsgeschichte. Vor 15 Jahren gelang es dem Archiv, einen Großteil der Zechenarchivalien zu übernehmen. Im Original sind einen Tag lang Zeugnisse zur Stadt- und Industriegeschichte Ahlens zu sehen. Abgerundet wird das Programm mit Vorträgen zur Stadtgeschichte, einem Büchermarkt sowie Kaffee und Kuchen.

Auf ein erfolgreiches Jahr blickt der Förderverein Fördertürme zurück. „Wir wollen Leben auf die Zeche bringen“, sagt Vorsitzender Christian Tripp. Gekümmert werde sich auch um ein anderes Ahlener Wahrzeichen. Sicherung und Erhalt des blauen Wasserturms sei geglückt, weil Verein und Stadt in 2019 diverse Arbeiten durchgeführt haben. Jetzt gehe es darum, den nicht mehr standsicheren Mannschaftsgang auf der Zeche für die Zukunft zu ertüchtigen.

Forschung zur SPD, KPD und Linke
Mit einem spannenden politischen Themen befasst sich die VHS-Geschichtswerkstatt. Im vierten Band ihrer Veröffentlichungen gehen die Forscher der Geschichte der Gewerkschaften sowie der linken Parteien in Ahlen nach. Ein weiterer Teilband werde später den bürgerlichen Parteien gewidmet sein, wie Werkstattleiter Reinhard Baldauf ankündigt. Jeden Mittwoch treffen sich die Geschichtsinteressierten in der Volkshochschule, neue Mitstreitende sind jederzeit willkommen.

Plattdeutsche Abende, Schnadegänge sowie Ausflüge in die nähere Heimat stehen im Mittelpunkt der Aktivitäten beim Heimatförderkreis. Weiter engagieren werde man sich, so zweiter Vorsitzender Udo Wagener, auch bei den Legendenschildern für Straßennamen und im Arbeitskreis Hexenverfolgung, der eine Schriftplatte zur Erinnerung an die Opfer des Hexenwahns im Ahlener Stadtgebiet anbringen möchte. Ein Erfolgsmodell sei die Ahlener Stadtchronik „Der beflügelte Aal“, den der Heimatförderkreis mit dem Anno-Verlag herausgibt. Schriftleiterin Mechthild Massin stellt auch für die kommende Ausgabe unterhaltsame wie unbekannte „Geschichte und Geschichten aus Ahlen“ in Aussicht.

Heimatliches in Dolberg und Vorhelm
Über regen Zulauf und Unterstützung freuen sich die Heimatvereine in den Ortsteilen. An die alte münsterländische Tradition des Lambertus-Singen wollen die Dolberger anknüpfen. Ein sprunghafter Anstieg der Vereinsmitgliederzahl sei im letzten Jahr erfolgt, berichtete Vorsitzender Ludger Markenbeck. Die gute Stimmung sei nützlich, um etwa das Heimathaus nach fachlichen Vorgaben zu sanieren. Eine Wibbelt-Radtour erarbeitet derzeit der Vorhelmer Verein, der im Dorf sehr präsent ist. Es habe sich herumgesprochen, dass alte Gegenstände und Dokumente dem Vereinsarchiv angeboten werden, bevor man sie entsorgt. So freute sich Schatzmeister Ludwig Schulze Everding über Schriften des aufgelösten Brieftaubenvereins: „Ich habe nicht geahnt, dass das so spannend sein kann.“ Herausragender Arbeitsauftrag für 2020 ist die Vorhelmer Mühle, deren Untergeschoss saniert werden müsse. 

Über die ins Stocken geratenen Kaufpreisverhandlungen für das Kulturgut Samson in Tönnishäuschen berichtete vom gleichnamigen Verein Christian Wolff. Den Kopf wolle man nicht in den Sand stecken, gibt sich Wolff kämpferisch. Bis Ende März werde ein Kompromiss mit dem Eigentümer angestrebt.

„Ahlen-Wiki“
Es ist wie ein Lexikon über Ahlen, das „Ahlen-Wiki“. Betreiber Markus Bockholt forderte die Anwesenden zur aktiven Zuarbeit auf, um das Internetangebot noch besser zu machen. „Es sieht aus wie Wikipedia und es funktioniert auch auf derselben Weise“, erklärte Bockholt. Mitmachen könne jeder. „Einmal anmelden mit der Mailadresse und schon kann man Beiträge, Karten und Fotos einstellen.“ Vermutlich werden dort bald auch Informationen über Ahlener Totenzettel zu finden sein. Johannes Kohlstedt vom Arbeitskreis Familienforschung berichtete von 50.000 der kleinen Andenken, die der Verein von Verstorbenen aus Ahlen und Umgebung besitzt. Der älteste stammt aus dem Jahr 1840 und verkörpert eine heute schon fast vergessene Tradition. Neue Exemplare sind jederzeit gern gesehen, um in die Sammlung aufgenommen zu werden.

Sorge um den Verlust historischer Materialien
Größte Sorge aller Bewahrer von historischem Material ist der Trend zum Wegwerfen. So seien Wohnungsentrümpelungen gefürchtet, wenn interessante Nachlässe unachtsam auf den Müll wanderten. „Wenn es erstmal auf dem Container liegt, dann ist es weg“, bringt es Johannes Kohlstedt auf den Punkt. Auch Dieter Massin vom Sportarchiv appelliert an die Öffentlichkeit, Trophäen, Vereinszeitungen und Fotos nicht einfach zu entsorgen. „Wir sind froh, wenn wir das bekommen.“ Zurzeit sortiert das Sportarchiv an die 8000 Fotos und Dokumente aus der Geschichte von TuS Ahlen, einem der Vorgängervereine von Rot-Weiss Ahlen. In diesem Jahr würde der TuS seinen 75. Gründungstag feiern.

Finanzielle Förderung
Über finanzielle Förderungsmöglichkeiten unterrichtete Ahlens Strukturförderer Lutz Henke die Teilnehmer des Treffens. Mit dem „Heimat-Scheck“, einem Programm des Landes Nordrhein-Westfalen, und der städtischen Richtlinie zur Förderung bürgerschaftlichen Engagements gebe es zwei Instrumente, die Vereinsaktivitäten passgenau unterstützen könnten. Nähere Informationen erteilt Henke unter Tel. 02382 59488 (henkel@stadt.ahlen.de).

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