Bürgermeister „unter Tage“ – Berger erlebte Bergbau hautnah und authentisch
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„Es war schon ein etwas mulmiges Gefühl, als die schweren Stahlgitter hinter uns schlossen und die Seilfahrt Geschwindigkeit aufnahm“, gab Berger nach seiner ersten Grubenfahrt zu.
Gerne hätte er die Arbeitswelt der Bergleute in den Flözen der Zeche Westfalen kennengelernt, wozu sich jedoch bis zum Auslaufen des Ahlener Steinkohlebergbaus im Jahre 2000 nie die Gelegenheit ergeben hatte. Zeugnisse dieser „fast einhundertjährigen, stolzen Zeit“, so Berger, seien glücklicherweise noch heute überall im Stadtgebiet zu sehen. Neben Kolonie, Zechengelände oder dem bergbauarchivarischen „Jupp-Fotoclub“ seien es die kleinen Dinge wie ausrangierte Kohlenloren in Vorgärten, die die Verbundenheit mit der Bergbauära zeigten. „Und vor allem sind es auch die Biografien der vielen Menschen, die im Schweiße ihres Angesichts das Grubengold förderten, das uns wieder hochgeholt hat“, zollt Berger in Anlehnung an die Ruhrpott-Hymne „Bochum“ von Herbert Grönemeyer allen früheren Bergleuten seinen Respekt.
Mit Schließung der Bottroper Zeche „Prosper-Haniel“ Ende Dezember werden in Deutschland knapp 200 Jahre Steinkohle-Bergbau zu Ende gehen. „Schicht im Schacht“ hieß es bereits in Ibbenbüren, wo die Ruhrkohle AG im Bergwerk Anthrazit bis Mitte August Kohle förderte. In die Tiefe ging es für Berger und Senne auf dem Nordschacht in Mettingen, wo die Seilfahrt zur 1235-Meter-Sohle erfolgte. Von vielen Tätigkeiten konnte sich Ahlens Stadtoberhaupt in dem eigens für Besucher hergerichteten Revier einen Eindruck verschaffen. So sah er unter anderem, wie ein Streckenvortrieb, der Kohlenabbau mittels Kohlenhobel im Abbaurevier, eine Wettertür und eine Bandfahrung betrieben werden. Die beeindruckende Grubenfahrt endete nach rund zweieinhalb Stunden, in denen Berger eine wahre Vorstellung von den bergmännischen Tätigkeiten erhielt.
Ahlens Bürgermeister erinnerte daran, dass auch 18 Jahre nach Deckelung der Zeche Westfalen noch immer aktive Bergleute in der Wersestadt leben. „Sie nehmen eine Anfahrt von fast 100 Kilometern zum Arbeitsplatz in Ibbenbüren und Bottrop in Kauf, um ihren beruflichen Wurzeln treu zu bleiben.“ Der Verlust des Steinkohlebergbaus sei für Ahlen indes „nicht zum befürchteten Ende der Stadt geworden.“ Die gut ausgebildeten Bergleute seien auch in anderen Branchen gefragte Fachleute. Der Stand der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung habe aktuell dasselbe Niveau wie vor Auslaufen der Zeche. Senne stimmte dem Bürgermeister zu, plädierte aber für eine bessere Bezahlung der früheren Kollegen. Die Entlohnung hinke in vielen Bereichen der Bezahlung im Bergbau hinterher. Hier sei der Strukturwandel noch nicht geschafft.
Marc Senne bedauerte zudem das Förderende des deutschen Steinkohlebergbaus in diesem Jahr. Er wies darauf hin, „dass Deutschland sich vollkommen abhängig macht von der Importkohle.“ In diesem Zusammenhang rechne er durchaus mit steigenden Strompreisen. Weiter hoffe er „auf vernünftige Lösung für alle Bürger in der jetzigen Energiekommission.“ Die Bundesregierung hatte im Juni nach mehreren erfolglosen Anläufen die Einsetzung einer Kommission beschlossen, die einen Weg für den Ausstieg aus der Kohle weisen und zugleich Strategien für den Strukturwandel in den Revieren entwickeln soll.
Wie sehr Bürgermeister Berger sich mit der Bergbauvergangenheit seiner Stadt identifiziert, zeigt das hinter seinem Schreibtisch im Rathaus hängende Bild. Der aus Ahlens brandenburgischer Partnerstadt stammende Künstler Hans-Jürgen Brauer malte 2011 während einer Exkursion der Jugendkunstschule Teltow die Förderanlagen der Zeche Westfalen. „Ein unerwartetes Motiv, auf das mich meine Gäste immer wieder ansprechen“, steht der Bürgermeister fest verbunden zu dem, „was auch unsere Stadt groß gemacht hat.“ Er sei sich bewusst, in einer langen Ahnenreihe der letzte Bürgermeister der Stadt Ahlen zu sein, der während seiner Amtszeit „hautnah und authentisch“ Bergbau in Deutschland erlebt habe.