Judenfeindlichkeit in jeder Form ersticken
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Am Jüdischen Mahnmal in der Klosterstraße gemahnte Berger vor 150 bis 200 Zuhörern an die Geschehnisse der Nacht vom 9. auf den 10. November 1938. Auch die Stadt Ahlen sei der Jüdischen Gemeinde den Schutz schuldig geblieben, zu dem sie verpflichtet gewesen wäre. Nur wenige Schritte vom Kundgebungsort entfernt habe in jener Nacht Siegmund Spiegel, ein unbescholtener Ahlener Bürger, den Tod gefunden. „Gehetzt von einer Meute brutaler Täter starb er an den Strapazen, die ihm seine Peiniger auf offener Straße zugefügt hatten“, rief der Bürgermeister in Erinnerung. In derselben Nacht sei die Ahlener Synagoge in Flammen aufgegangen.
Im Gegensatz zu den Dreißigerjahren, als in Deutschland eine offen antijüdische Stimmung geherrscht habe, träte der Antijudaismus heute subtiler in Erscheinung. Berger erinnerte in seiner Rede u.a. an ein Beispiel, das sich an einer Berliner Schule ereignet hatte. Als im April jüdische Eltern ihren Sohn von der Schule nahmen, weil er dort fortgesetzt von Mitschülern aggressivem Mobbing ausgesetzt war, seien die Reaktionen gespalten gewesen. Während auf der einen Seite ehrliches Entsetzen herrschte, habe es auf der anderen Seite einen Leserbrief von Eltern der Schule gegeben, die darauf hinwiesen, dass aufgrund des Nahostkonflikts zwischen Juden und Arabern keiner vor religiös motivierten Auseinandersetzungen gefeit sei. „Wenn gläubige Juden Gefahr laufen, Opfer von Angriffen zu werden, nur weil sie Kippa oder Davidstern tragen, dann geht uns das alle etwas an“, forderte Berger ein entschiedeneres Einschreiten.
Er stimme Josef Schuster, dem Zentralratsvorsitzenden der Juden in Deutschland, ausdrücklich zu, wenn dieser eine offizielle Antisemitismus-Definition fordert, die auch den Israel-bezogenen Antisemitismus berücksichtigt. Sie müsse in Deutschland so implementiert werden, dass sie für Polizei und Strafverfolgungsbehörden eine verbindliche Richtschnur bildet. Ein eigener Beauftragter auf Bundesebene sollte dafür sorgen, dass die Bekämpfung des Antisemitismus verstetigt und intensiviert wird.
Als weiterer Redner ergriff auf der Kundgebung der Präsident des Zentralkomitees der Katholiken, Prof. Dr. Thomas Sternberg, das Wort. Der Münsteraner Professor wandte sich gegen alle Bestrebungen, den Antisemitismus wieder salonfähig zu machen. Er lobte das couragierte Verhalten einer 15-jährigen Schülerin aus Dresden, die einen Mitschüler wegen offen antijüdischer Hetze angezeigt hatte. Schon bei leisesten antisemitischen Anzeichen gelte es, energisch zu widerstehen. „Man muss den Schneeball zertreten, die Lawine hält niemand auf“, zitierte Sternberg den Schriftsteller Erich Kästner. Mit dummen sogenannten Juden-Witzen sei jede zu tolerierende Grenze weit überschritten.
Die Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Ruth Frankenthal, zeigte ihr Erschrecken darüber, dass der Rassismus in der Mitte der Gesellschaft angekommen sei. Kein Verständnis habe sie dafür, dass nazistische und kommunistische Ideologien heute wieder besonders in Osteuropa viele Anhänger hinter sich scharrten. „Die politische Aufklärung ist total gescheitert.“ Pegida und AfD erinnerten an die Hetze der NSDAP. Es sei dem in weiten Teilen der Bevölkerung fehlendem Geschichtsbewusstsein geschuldet, dass die „Vernichtung der Gegner“ wieder zum politischen Programm werden konnte. „Es sind Parallelen zu erkennen zu den Ereignissen, derer hier gedacht wird.“ Sie sei froh, dass ihre verstorbenen Eltern diesen Rückschritt nicht mehr erleben müssten.
Zum Abschluss der Kundgebung, die vom evangelischen Posaunenchor musikalisch begleitet wurde, sprach Bürgermeister Berger eine Einladung für den 6. Februar aus. Die Stadt Ahlen werde dann u.a. für die Überlebenden Marga, Siegmund und Karin Spiegel Stolpersteine an der Ostbredenstraße verlegen.
Rede von Bürgermeister Dr. Alexander Berger