Landwirte und Stadtverwaltung üben den Schulterschluss

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„Unternehmer leben davon, etwas zu unternehmen, und nicht, etwas zu unterlassen.“ Der Frust ist unüberhörbar, den Dr. Matthias Quas stellvertretend für die Landwirte im Kreis Warendorf formuliert. Mit den WLV-Ortsverbandsvorsitzenden war der Geschäftsführer des landwirtschaftlichen Kreisverbandes Warendorf jetzt zu Gast bei Bürgermeister Dr. Alexander Berger, der mit Vertretern städtischer Fachbereiche und der Wirtschaftsförderungsgesellschaft zum alljährlichen „Bauernfrühstück“ eingeladen hatte.

Auf dem neuen Baubetriebs- und Wertstoffhof trafen sich Landwirte und Stadtverwaltung, um in informeller Runde Dinge anzusprechen, die beide Seiten bewegen.

Dass dem Unternehmertum der Landwirte immer mehr Fesseln angelegt werden, sorge für gewaltigen Unmut, sagte Hubert Steinhoff. „Die Stimmung ist richtig schlecht.“ Angesichts zunehmender Dokumentationspflichten fehle vielen seiner Kollegen die Perspektive nach vorn. „Wir haben diesen Beruf nicht erlernt, um am Schreibtisch zu sitzen“, machte er seinem Ärger Luft. Manche dächten: „Besser den Betrieb verpachten. Hauptsache, keinen Datenbanken mehr melden.“ Fehlende Planungssicherheit greife unter den Betrieben um sich, setzte Quas das Bild der gegenwärtigen Malaise fort. „Seit drei Jahren fragen die Mitglieder vom Verband keine Beratung zu Stallbauten mehr nach." Unklarheiten über sich verändernde Auflagen etwa bei der Schweinemast hemmten die Investitionsbereitschaft. Es seien Entscheidungen der Politik im Raum, „die Stimmung machen.“ Und zwar alles andere als gute.

Hinzu komme, so die Ahlener Landwirte, in bestimmten Teilen der Gesellschaft das „Bauernbashing“, die undifferenzierte Schuldzuweisung an Landwirte für tatsächliche oder vermeintliche Defizite bei Nutztierhaltung und Lebensmittelproduktion. Die Erwartungen mancher Verbraucher seien nicht realistisch. „Hier blühende Wiesen haben und Nahrungsmittel billig aus dem Ausland beziehen, das passt nicht zusammen“, wird Hubert Steinhoff grundsätzlich. Anstatt der Landwirtschaft immer wieder neue Auflagen zu machen, sollte die Politik lieber Bewusstsein für den Wert nachhaltig hergestellter Lebensmittel aus heimischer Erzeugung schaffen. Dr. Matthias Quas hält es für ein Unding, dass Legebatteriekäfige nach ihrem Verbot bei uns Richtung Osteuropa exportiert worden seien. „Das stellt doch alles auf den Kopf.“

Es waren aber nicht nur Klagen, die Ahlens Landwirte auf den Tisch des Bürgermeisters legten. Bergers Frage nach dem bisherigen Erleben der Corona-Krise folgte eine relativ entspannte Antwort. „Den Lockdown haben wir nicht so intensiv mitbekommen“, berichtete Ralf Storkamp. Zwar seien Lieferzeiten länger gewesen. Die täglichen Abläufe auf den Höfen hingegen blieben weitgehend unverändert. Hofläden und Direktvermarkter verzeichneten laut Hubert Steinhoff „einen wahnsinnigen Zulauf.“ Sie hätten erfolgreich neue Kundenkreise erschließen können. „Wenn man sie danach fragt, lächeln sie.“ Das sage über Landwirte viel aus.

Der Bürgermeister und seine Mitarbeiter nahmen die Nachricht mit, dass sich die Landwirtschaft wie kaum ein anderer Sektor in den nächsten Jahren verändern wird. Auch in Ahlen gebe es Höfe, die in den kommenden zwei Jahrzehnten aufgegeben werden. Berger sagte die erforderliche Unterstützung seiner Fachbereiche zu, um notwendige Nutzungsänderungen für Resthöfe so unbürokratisch und frühzeitig wie möglich hinzubekommen. „Unsere Fachbereiche fangen schon jetzt damit an sich fitzumachen.“ Sein Vorschlag zu gemeinsamen Schulungen von Verband und Stadtverwaltung stieß auf offene Ohren. Den Schulterschluss sollten Stadt und Landwirte seiner Überzeugung nach auch beim Thema erneuerbare Energien gewinnbringend üben. Strom, Wärme und Verkehr sollen bis 2030 in Ahlen klimaneutral werden. „Das geht nicht ohne die Kooperation mit der heimischen Landwirtschaft“, lädt Berger ein zu weiteren Gesprächen, auch unter Beteiligung von Ahlener Stadtwerken und der städtischen Stabsstelle für Klimaschutz und Mobilität.

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