Neuer Band zur Ahlener Geschichte: „Flucht und Vertreibung – Neuanfang in Ahlen 1945 – 1950“
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Es sei wohl die Hälfte aller Menschen in Ahlen, die in ihren Familien Erfahrungen mit Flucht und Vertreibung gemacht haben. Zu dieser Schätzung gelangte Bürgermeister Dr. Alexander Berger, als er im Alten Rathaus den dritten Band aus der Schriftenreihe der VHS-Geschichtswerkstatt vorgestellt hat.
Unter Leitung des Ahlener Journalisten und Historikers Reinhard Baldauf entstand auf 121 Seiten eine umfangreiche Dokumentation unter dem Titel „Flucht und Vertreibung – Neuanfang in Ahlen 1945 – 1950“. Neben zeitgenössischen Dokumenten nehmen persönliche Erinnerungen viel Platz ein. Sie führen zurück in die Zeit, als zahlreiche Deutsche in Folge des verlorenen Krieges ihre alte Heimat im Osten verlassen mussten. Für mehrere tausend begann in Ahlen der Neuanfang. „Wer die Zusammensetzung unserer Bevölkerung in Ahlen verstehen will, der muss dieses Buch lesen“, empfiehlt Berger die Lektüre. Sie gebe auch Aufschluss darüber, warum die Aufnahme und Betreuung von Menschen, die mit der jüngsten Fluchtbewegung nach Deutschland kamen, in Ahlen vergleichsweise gut klappe. Der Band erkläre anschaulich, dass Ahlen immer schon eine für Zuwanderer aufgeschlossene Stadt gewesen sei.
Die aktuelle Flüchtlingssituation sei in der Tat einer der Anlässe gewesen, warum sich die Geschichtswerkstatt mit dem Thema auseinandergesetzt habe, bestätigt Reinhard Baldauf. Die Thematik habe aber auch aus einem anderen Grund unter den Nägeln gebrannt. „Die Zeit wird knapper, immer mehr Zeitzeugen der damaligen Ereignisse versterben.“ Ahlen sei aus allen Zuwanderungswellen stets gestärkt hervorgegangen. „Wie schon bei der Zeche ist es immer gelungen, fremde Menschen zu integrieren.“ Mit seinem Ansatz „weg von den großen Köpfen, hin zu den Alltagsgeschichten“ folge der Band der modernen Auffassung von Geschichtsvermittlung. Mehrere Klassensätze seien weiterführenden Schulen zur Verwendung im Geschichtsunterricht überlassen worden, so Baldauf.
Größten Respekt vor der damaligen Aufnahme- und Integrationsleistung hat Autor Heinz Aden. Fast 100.000 Menschen seien nach dem Kriege durch das Aufnahmelager Ahlen geschleust worden. „Wenn das damals möglich war, dann heute erst recht“, lautet sein Fazit. Es sei 70 Jahre später kaum zu ermessen, welche Anstrengungen dies in der an Entbehrungen reichen Zeit gekostet haben muss. Zur Wahrheit gehöre aber ebenfalls, ergänzt Autor Norbert Hoffmann, dass auch damals schon Teile der einheimischen Bevölkerung Flüchtlingen mit Skepsis und offener Ablehnung begegnet seien.
Autoren des jüngsten Bandes sind Fredi Lange, Heinz Aden, Bernward Schwarze, Norbert Hoffmann, Sandy Richter, Hilde Protokowitz, Christian Feischen, Reinhild Beckmann, Martin Hatscher, Winfried Michalski und Reinhard Baldauf. Das Buch kann ab sofort zum Preis von 9,90 Euro in der Mayerschen Buchhandlung Sommer und im Sekretariat der Volkshochschule im Alten Rathaus am Markt erworben werden.