Stolpersteine für Familie Marga, Siegmund und Karin Spiegel - Recherchen bringen Licht ins Dunkel

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Fast einhundert Stolpersteine erinnern im Ahlener Straßenpflaster an die Schicksale von Verfolgten der Nazizeit. Ganz überwiegend waren es jüdische Bürger, die dem braunen Terror und der systematischen Verfolgung zum Opfer fielen. Aber auch politisch Andersdenkende und religiöse Minderheiten wie die Zeugen Jehovas ermordeten die Nationalsozialisten wegen ihrer unbeugsamen Haltung.

Manfred Kehr erforscht für die Stadt Ahlen die Lebens- und Leidensgeschichten derer, die zwischen 1933 und 1945 aus der Ahlener Gemeinschaft ausgegrenzt, vertrieben und getötet wurden. Ehren wird die Stadt Ahlen in der nächsten Stolperstein-Verlegerunde u.a. die Familie von Marga Spiegel.

Im Zuge seiner Recherchen über die Schicksale von Ahlener Opfern des Nationalsozialismus hat Manfred Kehr die Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück in Brandenburg sowie den „International Tracing Service (ITS)“ in Bad Arolsen besucht. Dabei konnte er nicht nur neue Informationen gewinnen, sondern auch beiden Einrichtungen mit Fakten und Daten kenntnisreich weiterhelfen. Das ehemalige Konzentrationslager Ravensbrück beherbergt heute ein umfangreiches Dokumentationszentrum. Das Lager gilt als Todesort der Ahlener Kommunistin Selma Englisch. Die wissenschaftliche Mitarbeiterin der Gedenkstätte, Monika Schnell, konnte mit Kehrs Hilfe das Archiv in einem wesentlichen Punkt korrigieren. „Die Daten von Selma Englisch sind in Ravensbrück hinterlegt, wenn auch bislang mit einem falschen Geburtsnamen,“ entdeckte Schnell. Dank des Hinweises aus Ahlen wird Selma Englisch nun mit ihrem richtigen Geburtsnamen „Püschel“ geführt.

Im hessischen Bad Arolsen ist das Archiv- und Dokumentationszentrum über NS-Verfolgung ansässig. Aus mehr als 30 Millionen Dokumenten erhalten ehemals Verfolgte und ihre Nachfahren Informationen zur Inhaftierung, Zwangsarbeit sowie die Nachkriegsunterstützung durch die Alliierten. Dort ist Kehr einigen offenen Fragen zum Schicksal Ahlener Juden nachgegangen. „So habe ich unter anderem herausgefunden, dass das polnischstämmige jüdische Ehepaar Obarzanski, das in Ahlen bereits mit zwei Stolpersteinen auf dem Handkamp geehrt wird, noch drei Töchter hatte.“ Allen drei gelang zwischen 1936 und 1940 offenbar die Flucht nach Palästina, wo sich jedoch ihre Spuren verlieren. Fanny, Sonja und Lilly Obarzanski erhalten bei der nächsten Verlegerunde „ihre“ Stolpersteine.

Weder im Dokumentationszentrum in Bad Arolsen noch in Ravensbrück waren die zahlreichen Ahlener Schriften zur Erforschung der Ortsgeschichte verfügbar. Kehr sandte beiden umgehend das neuaufgelegte Buch von Hans Werner Gummersbach „Der Weg nach Auschwitz begann auch in Ahlen“ zu. „Ich freue mich sehr, dass wir den Benutzern unserer Sammlungen und den Gästen der Mahn- und Gedenkstätte Ravensbrück diese Publikation im Lesesaal der Gedenkstätte als eine Quelle zur Lokalgeschichte der Stadt Ahlen anbieten können“, so Monika Schnell. Für das ITS bedankte sich Mitarbeiterin Bianka Geißler. Das Buch stehe dort inzwischen in der Nutzerbibliothek.

Die gewonnenen Auskünfte helfen Kehr, die nächste Stolpersteinverlegung vorzubereiten. „Für die achte Steinverlegung versuchen wir einen Termin im kommenden Frühjahr zu finden“, lässt der städtische Mitarbeiter wissen. Gedacht werden soll dabei u.a. der Familie Marga, Siegmund und Karin Spiegel, die ihre letzte Ahlener Adresse in der Ostbredenstraße hatte. Seit der letzten Verlegerunde ehrt die Stadt Ahlen mit Stolpersteinen auch die Überlebenden der Nazi-Verfolgung. Die Stadt schlage damit ein neues Kapitel im Buch der Erinnerungskultur auf, sagte Bürgermeister Dr. Alexander Berger im November letzten Jahres aus Anlass der Verlegung eines Steines für Ehrenbürger Imo Moszkowicz in der Klosterstraße. „Die öffentliche Erinnerung an die Barbarei, unter der die jüdischen Bürger unserer Stadt litten, bekommt damit ein umfassenderes, ein vollständigeres Bild“, so Berger. Die Stolpersteine mögen „unsere Betroffenheit wecken während des ganzen Jahres, auch außerhalb der Gedenktage und besonderen Anlässe.“ Sie sollen mahnen, dass im staatlichen Handeln nie wieder Hass, Ausgrenzung und fanatischer Nationalismus die Oberhand gewinnen

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