Tafel erinnert an Opfer von Verschwörungsglauben

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Zum Gedenken an die Opfer der Hexenverfolgung ist am Dienstag am Ahlener Marktplatz ein Erinnerungsort für dieses dunkle Kapitel der Ahlener Stadtgeschichte errichtet worden. Mindestens 50 Frauen und Männer bezahlten in der frühen Neuzeit den Aberglauben der Gesellschaft mit ihrem Leben.

„Vorurteile und fadenscheinige Prozesse führten zu großem Leid“, stellte Bürgermeister Dr. Alexander Berger bei der Enthüllung einer Gedenktafel fest, die am Gebäude der Volkshochschule vom Schicksal der Verfolgten berichtet. Was die seinerzeit unschuldig Verurteilten ertragen mussten, gereiche den Menschen heute noch zur Warnung für einen respektvollen Umgang miteinander und die Akzeptanz von Minderheiten. Der Rat der Stadt Ahlen hat am 14. Dezember 2017 mit großer Mehrheit die Opfer der Ahlener Hexenprozesse öffentlich rehabilitiert.

Die am ehemaligen Rathaus angebrachte Tafel erinnert an die als Hexen- und Zauberer diffamierten Menschen, die völlig zu Unrecht für Naturkatastrophen und Unerklärbares verantwortlich gemacht wurden. Viele von ihnen wurden grausamst gefoltert und angeklagt, die meisten wurden zum Tode verurteilt. „Gerade erfahren wir das auch“, machte Pfarrerin Martina Grebe darauf aufmerksam, dass in Krisenzeiten Sündenböcke gesucht würden und irrationaler Verschwörungsglauben Blüten treibe. Die Rehabilitierung der Opfer bewirkte ein Bürgerantrag. Aufgrund der Brisanz des Themas konstituierte sich ein Arbeitskreis, der im Laufe der Zeit insgesamt zwölf Male zusammenkam. Um eine große Öffentlichkeit zu erreichen und um das Thema nachhaltig in der Ahlener Stadtgeschichte zu verankern fand 2018 eine dreiwöchige Doppelausstellung mitsamt einem umfangreichen Veranstaltungsprogramm in Heimatmuseum und Bartholomäuskirche statt. 

Federführend hierbei war Hartmut Hegeler, ehemaliger Pfarrer aus Unna und Koryphäe zu dem Thema „Hexenverfolgung in Westfalen“, der neben dem aktuellen Forschungsstand zum Thema „Hexenprozesse in der Stadt Ahlen“ auch zahlreiche Ausstellungstexte und historische Abbildungen zur Verfügung stellte. Ein Jahr später wurde der aktuelle Forschungsstand erneut in Form eines öffentlichen Vortrages und einer Publikation präsentiert. Nach weiteren Quellenstudien hatte sich die namentlich bekannte Zahl der Opfer der Prozesse auf etwa 50 Personen verdoppelt. Pandemiebedingt verschob sich die ursprünglich für Herbst 2020 vorgesehene Enthüllung in diesen September. 

Die aktuellen Erkenntnisse werden auf der vom Heimat-Förderkreis finanzierten Infotafel präsentiert und erinnern an öffentlicher Stelle an die unfassbaren Einzelschicksale von bislang 50, zumeist namentlich benannter Menschen. Neben einem Text sind auf der Erinnerungstafel ein historischer Holzschnitt aus dem 16. Jahrhundert und der QR-Code mit den Namen der bislang bekannten Opfer der Ahlener Hexenprozesse mitsamt Jahreszahl abgebildet. 

Text der Erinnerungstafel:

„Hexenverfolgungen in der Frühen Neuzeit in Ahlen

Zwischen 1574 und 1652 wurde eine hohe Zahl von Ahlener Bürgerinnen und Bürger der Hexerei bezichtigt und vor Gericht gebracht. Von mehr als 50 Angeklagten liegen Dokumente vor. Nur einige wenige wurden aus der Haft entlassen, bzw. für immer der Stadt verwiesen. Die allermeisten der Angeklagten wurden zum Tode verurteilt. Die Hinrichtungen erfolgten durch Verbrennen auf dem Scheiterhaufen. Einige Gerichtsurteile ordneten außerdem vorherige Strangulation oder Enthauptung an. Der Ort /die Orte der Hinrichtungen ist/ sind nicht bekannt. Das Gerichtsgebäude befand sich an dieser Stelle, im damaligen Rathaus.

Die Frauen und Männer wurden angeklagt, sie hätten im Bund mit Hexen oder dem Satan gestanden. Frauen wurden der Hexerei bezichtigt, Männer als Zauberer oder „Werwolf“ denunziert. „Beweise“ fehlten in allen Prozessen, Geständnisse wurden durch grausamste Folter erpresst. Nach dem voraufgeklärten, unwissenschaftlichen Sündenbock-Prinzip, das leider bis heute nicht überwunden ist, wurden in der Frühen Neuzeit Schuldige gesucht, die verantwortlich gemacht werden konnten für Schäden, die an Menschen, Haus, Hof und Vieh zu beklagen waren, sowie Wetterkatastrophen und Vernichtung der Ernte zu beklagen waren.  
             
All diesen Menschen ist schlimmes Unrecht angetan worden. Deshalb hat der Rat der Stadt Ahlen am 14. Dezember 2017 mit großer Mehrheit einen Beschluss gefasst, mit dem die Opfer der Ahlener Hexenprozesse öffentlich rehabilitiert wurden.

Diese Gedenkstätte will an die Schicksale der unschuldig gefoltert und zu Tode Gebrachten erinnern.“

Beschluss des Rates der Stadt Ahlen am 14. Dezember 2017:  

„Die Rehabilitierung der unschuldig gequälten und hingerichteten Opfer der Hexen- und Zaubererverfolgung in Ahlen während des 16. und 17. Jahrhunderts ist ein Akt im Geiste der Erinnerung und Versöhnung. Der Rat der Stadt Ahlen verurteilt diese Gewalt, die an Frauen und Männern begangen wurde. Er gedenkt der Opfer, rehabilitiert sie öffentlich und gibt ihnen damit heute im Namen der Menschenrechte ihre Ehre zurück. Wenngleich die Stadt Ahlen nicht Rechtsnachfolgerin der damals politisch und kirchlich Verantwortlichen ist, so besteht dennoch eine ethische Verpflichtung gegenüber den Opfern und ihren Familien. Angesichts der lokalen Geschichte steht der Rat der Stadt Ahlen zu dieser Verpflichtung.“

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