„Warnmäler“ rütteln auf gegen jede Form von Menschenverachtung
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Am Gräberfeld für sowjetische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene auf dem Ostfriedhof sowie auf dem Marktplatz am Ehrenmal für die Opfer von Kriegen und Gewalt legten Vertreterinnen und Vertreter der Schulen und der Bundeswehr gemeinsam mit Bürgermeister Dr. Alexander Berger Kränze nieder. „Hier an den Gräbern der sowjetischen Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter betrübt uns umso mehr, dass in ihnen Angehörige der Nationen vereint sind, die heute die Waffen aufeinander richten. Die einen als Aggressoren, die anderen als tapfere Verteidiger von Heimat und Freiheit“, so Berger. Für alle Anwesenden der Gedenkveranstaltung verlangte der Bürgermeister stellvertretend ein baldiges Ende des Krieges in der Ukraine und die Wiederherstellung der völkerrechtlichen Ordnung in den Grenzen von 2014. Zugleich warnte er davor, sich am Jahrestag des Kriegsendes in Europa zu sehr mit der russischen Aggression zu befassen. Es gehe stattdessen um die deutsche Verantwortung für den größten Krieg, den die Menschheit bislang erleiden musste. „Nichts kann unsere Verantwortung dafür relativieren. Auch nicht die Verbrechen, die andere Nationen begehen. Der Zweite Weltkrieg und die Shoah bleiben in der Geschichte der Menschheit einzigartig.“
Dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge dankte Berger für dessen Friedenswerk. Er wünsche sich, dass die Klassenfahrten in die Gedenkstätten nach Belgien, in die Niederlande, nach Frankreich und überall dorthin, wo die letzten beiden großen europäischen Kriege wüteten, wieder neuen Schwung aufnehmen. „Denn nichts ist berührender und aufrüttelnder zugleich, als an den Gräbern derer zu stehen, die häufig im Schüleralter auf den Schlachtfeldern ihr Leben ließen.“ Eindrücklich waren die Berichte von Schülerinnen und Schülern der Fritz-Winter-Gesamtschule, die in der Woche vor dem Jahrestag eine Gedenkstättenfahrt in das frühere Kriegsgefangenen-Mannschaftslager nach Hemer unternommen haben. Gedenkstätten seien „Warnmäler“, menschenverachtende Intentionen rechtzeitig zu erkennen und es nie wieder soweit kommen zu lassen, sagte Schüler Nick Weber. Sein Appell an die Schülerschaft: „Richtet den Blick nach vorne und stellt Euch gegen jede aufkeimende Form der Ausgrenzung!“
Junge Bundeswehrangehörige bezeichneten später vor dem Ehrenmal am Marktplatz den 8. Mai als einen Tag der Zäsur, dessen doppelte Bedeutung es sei, sowohl das Ende des Krieges als auch die Befreiung vom Nationalsozialismus gebracht zu haben. In sehr persönlichen Worten berichtete die aus der Ukraine geflohene Tatjana Koroll von ihren Gefühlen an diesem Tag. „Ich hätte nie geglaubt, dass das Böse so schnell kommen konnte, um mir alles Wichtige zu rauben: die Familie, meine Heimat und meine Träume.“ Man könne sich kaum vorstellen, was es heißt, in wenigen Augenblicken die Entscheidung zur Flucht zu treffen und alles hinter sich zu lassen. Im Namen ihrer Landsleute dankte sie Deutschland für die freundliche Aufnahme und humanitäre Hilfe.
Der Jahrestag des Kriegsendes stand in diesem Jahr unter dem Motto „Ge(h)denken“. Auf dem Weg vom Ostfriedhof zum Marktplatz passierten die Schülerinnen und Schüler den Dr.-Paul-Rosenbaum-Platz, wo sie etwas erfuhren über die kampflose Übergabe der Stadt Ahlen am 31. März 1945. An den Stolpersteinen vor der Oststraße 52 gedachten sie der deportierten und ermordeten jüdischen Bürgerinnen und Bürger der Stadt Ahlen.